Die Kletterphilosophie
des Paul Preuss

 

Paul Preuss war der konsequenteste Freikletterer seiner Zeit. Eine Zeit, in der alle hohen Gipfel bereits bestiegen waren und nur noch die schwierigsten Wände lockten.

 

Diese wollten die meisten Bergsteiger mit technischen Hilfsmitteln bezwingen. Preuss hingegen vertrat kompromisslos die Ansicht, dass nicht mit technischem Aufwand, sondern ausschließlich nur durch das Können des Kletterers schwierige Wandprobleme gelöst werden dürfen.

Die sechs Grundsätze des Paul Preuss
 

Erstens
Bergtouren, die man unternimmt, soll man nicht gewachsen, sondern überlegen sein.

Zweitens
Das Maß der Schwierigkeiten, die ein Kletterer im Abstieg überwinden kann, muss die oberste Grenze dessen darstellen, was er im Aufstieg versucht.

Drittens
Der Gebrauch von künstlichen Hilfsmitteln ist daher nur im Falle unmittelbar drohender Gefahr erlaubt.

Viertens
Der Felshaken ist eine Notreserve und nicht die Grundlage des Kletterns.

Fünftens
Das Seil darf nur ein erleichterndes, nie aber das allein seligmachende Mittel zur Besteigung sein.

Sechstens
Zu den höchsten Prinzipien gehört das der Sicherheit; jener Sicherheit, die bei jedem Kletterer in der richtigen Einschätzung seines Könnens beruhen soll.

 

„Das Können ist des Dürfens Maß.“


Dass ausgerechnet diese seine Sicherheitsmaxime Paul Preuss nicht vor dem Bergtod bewahrte, ist eine besondere Tragik, zumal er konsequent seine These vertrat.

Im Herbst 1913 war er zu einer Tour in den Gosaukamm in Salzkammergut aufgebrochen. Er bestieg einige Gipfel, wollte zuletzt die Nordwand des Mandlkogls durchklettern. Bei einer Rast in der Wand dürfte sein Messer zu Boden gefallen sein. Als er sich danach bückte, so lautet die gängige Version, glitt er auf dem bereits nassen Fels aus und stürzte in den Tod. Seine von Schnee bedeckte Leiche wurde erst Tage später im Rahmen einer großen Suchaktion gefunden.

Auch große Könner waren und sind also vor solchen Unglücken nicht gefeit, das Klettern bleibt ein Risiko. Dennoch ist sein Credo „Das Können ist des Dürfens Maß“ ein philosophischer Ansatz, der nicht nur für das Bergsteigen, sondern für alle Bereiche des Lebens gilt.

Paul Preuss bereitet ein Spannungsfeld


Er prägte das nachhaltige Bergsteigen und scheiterte doch selbst daran. Wenn wir dies als Lehre annehmen, können wir im Hier und Jetzt den Alpinismus positiv voranbringen.

Wir können mit jeder Herausforderung wachsen und gleichzeitig Reflexion an uns selbst und unserem Umgang mit der Welt üben. Denn die Berge sind ein großer Schatz und dennoch keinen verlorenen Finger wert.